Scheidung ohne Trennungsjahr möglich?
Christiane Lindner
Scheitert eine Ehe, kommt es in der Regel früher oder später zur Scheidung der Eheleute. Doch selbst für eine einvernehmliche Scheidung gelten gewisse Vorgaben durch den Gesetzgeber.
Konkret bedeutet das: Das sogenannte Trennungsjahr muss verstrichen sein, bevor ein Ehegatte den Scheidungsantrag über seinen oder ihren Anwalt bei Gericht einreichen kann. Beide Ehegatten haben dadurch ausreichend Zeit, die Auflösung der Ehe gründlich zu überdenken und nicht vorschnell zu entscheiden.
Wann beginnt das Trennungsjahr und wie wird es eingeleitet?
Das Trennungsjahr beginnt offiziell mit dem Zeitpunkt der Trennung - sei es durch das Aussprechen der Trennung durch einen Ehegatten oder das Auflösen der gemeinsamen Hausgemeinschaft. Da es nicht amtlich angemeldet oder offiziell eingeleitet wird, ist es wichtig, den Zeitpunkt der Trennung klar und nachweisbar zu dokumentieren. Eine Verkürzung des Trennungsjahres ist nicht möglich, frühzeitige Scheidungsanträge würden gebührenpflichtig zurückgewiesen.
Kann eine Ehe auch ohne Trennungsjahr geschieden werden?
Nur in ganz bestimmten Fällen kann die gescheiterte Ehe vorzeitig und ohne Verstreichen des Trennungsjahres geschieden werden. Es handelt sich dabei um die sogenannte Härtefallregelung. Stellt das Gericht fest, dass eine unzumutbare Härte vorliegt, also es einem der Ehepartner nicht mehr zuzumuten ist, die gescheiterte Ehe fortzusetzen, kann die Ehe auch frühzeitig geschieden werden.
Mögliche Gründe für eine Härtefallscheidung
Ob eine unzumutbare Härte tatsächlich vorliegt, muss in jedem einzelnen Fall geklärt werden. Dies kann der Fall sein, wenn sich ein Ehegatte gegenüber dem anderen Ehegatten
- gewalttätig oder
- bedrohlich verhält; eine
- Schwangerschaft außerhalb der eigenen Ehe,
- Drogen- und Alkoholmissbrauch oder auch
- bewusste Demütigung des Partners
können Punkte sein, die ein Abwarten des Trennungsjahres unzumutbar machen.
Härtefallscheidungen sind stets Einzelfallentscheidungen. Über die Unzumutbarkeit der Ehe wird also von Fall zu Fall entschieden.
Entscheidung des OLG Oldenburg vom 26.04.2018 – Az.: 4 UF 44/18
Im vorliegenden Fall waren die Eheleute 26 Jahre miteinander verheiratet.
- Die Ehe: Jahrelange Demütigungen und Gewalt
Über Jahre hinweg verhielt der Ehemann sich seiner Frau gegenüber wie ein „Pascha“: Er demütigte und beleidigte sie regelmäßig und war zudem oft sehr aggressiv und gewalttätig. Darunter litt die Ehefrau sehr. Auch die gemeinsamen Kinder litten unter ihrem Vater.
- Der Auslöser für die Trennung
Die Ehefrau beschrieb sich schließlich als „psychisch kaputt“ und berichtete von verschiedenen Vorfällen, welche auch durch die gemeinsamen Kinder bestätigt wurden.
Das Verhalten des Ehemannes erreichte schließlich einen Höhepunkt, als er seine Ehefrau heftig schüttelte und beleidigte. Die Ehefrau bekam einen Krisenanfall. Ein Rettungswagen musste gerufen werden, um sie zu versorgen und die Situation aufzulösen.
- Scheidungsantrag ohne Trennungsjahr
Hierauf reichte die Ehefrau die Scheidung ein, ohne die Trennung im Vorfeld ausgesprochen oder kommuniziert zu haben. Das Trennungsjahr hatte dementsprechend noch nicht begonnen. Dennoch prüfte das Gericht die Situation auf eine unzumutbare Härte hin. Das Gericht hörte hierzu die Ehefrau, den Ehemann und die Kinder an.
- Urteil: Unzumutbare Härte = Härtefallscheidung
Nach Abwägung des Sachverhaltes kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine unzumutbare Härte vorlag. Die Ehe wurde geschieden, obwohl das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen war.
Der Ehemann legte gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde ein. Der Senat des OLG Oldenburg prüfte den Sachverhalt daraufhin sehr sorgfältig und lehnte die Beschwerde des Ehemannes ab. Der Ehemann hatte mit seinem Verhalten das Fundament der Ehe zerstört. Ein Festhalten an der Ehe war nicht mehr zumutbar.
Über die Autorin
Rechtsanwältin Christiane Lindner
Medienhaus Barbelsberg
August-Bebel-Straße 26/53
14482
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