Veräußerungsfrist II
Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücksveräußerungsgeschäften ist teilweise verfassungswidrig.
1. Gesetzliche Regelungen, die für künftige, belastende Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpfen (so genannte unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung) sind nicht grundsätzlich unzulässig. Die unechte Rückwirkung ist mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes jedoch nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist. Außerdem muss bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben.
2. Die Verlängerung der früher so genannten Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch das Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 war mit den belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden. Diese widersprechen zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes.
Die Gewinne aus privaten Grundstücksverkäufen unterlagen nach der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Rechtslage der Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als zwei Jahre betrug (so genannte Spekulationsgeschäfte).
Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 wurde die Veräußerungsfrist durch das am 31. März 1999 verkündete Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auf zehn Jahre verlängert. Die neue Frist galt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1999, bezog aber - rückwirkend - auch bereits erworbene Grundstücke ein, sofern der Vertrag über die Veräußerung erst im Jahr 1999 (oder später) geschlossen wurde.
Die Kläger der drei Ausgangsverfahren veräußerten im Jahr 1999 ihre in den Jahren 1990 beziehungsweise 1991 erworbenen Grundstücke nach Ablauf der alten, aber innerhalb der neuen Veräußerungsfrist. Die dabei zugrundeliegenden Verträge wurden teilweise bereits vor der Verkündung des neuen Rechts geschlossen, teilweise aber auch erst danach. Das Finanzamt wandte in allen Fällen die neue Veräußerungsfrist an und rechnete die Veräußerungsgewinne dem zu versteuernden Einkommen zu. Die erhobenen Klagen führten jeweils zur Vorlage durch das Finanzgericht Köln und den Bundesfinanzhof.
In den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes teilweise verfassungswidrig ist. Die Verlängerung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre als solche ist dagegen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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